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In München wurde jetzt in einem Festakt der Petrarca-Preis 2013 verliehen – an den Briten Robin Robertson und den Syrer Adonis, zwei Weltliteraten, deren Dichtung Kulturen verbindet
von Jobst-Ulrich Brand
Es regnete Sturzbäche, als am vorvergangenen Wochenende in München der Petrarca-Preis 2013 vergeben wurde. Das trübe Wetter passte zur Wehmut, die sich im Festsaal des Bayerischen Nationalmuseums verbreitete, als der Verleger und Preisstifter Hubert Burda die ersten Sätze seiner Begrüßungsrede sprach: „Was 1974 in München begann“, so Burda, „geht heute in diesem Mars-Venus-Saal zumindest auf deutschem Boden zu Ende. Im kommenden Jahr wird der Petrarca-Preis zum letzten Mal in Cambridge im St. Johns College vergeben.“
Burda versicherte den mehr als 100 Gästen aus Kultur, Wissenschaft und Politik aber auch, dass er Literatur weiter im Namen des italienischen Humanisten fördern wolle. Er beabsichtige, einen Petrarca-Lehrstuhl in Cambridge zu stiften, der vor allem die Vermittlung deutschsprachiger Literatur im angelsächsischen Sprachraum unterstützen solle. „Insofern geht der Preis dann zu Ende, aber die Idee wird weiterleben“, schloss Burda seine Rede.
In seiner fast 40-jährigen Geschichte hat der Petrarca-Preis, eine der bedeutendsten und ungewöhnlichsten Auszeichnungen hierzulande, oft europäische Dichter ins Licht der Öffentlichkeit gerückt, deren Werke zuvor zu Unrecht wenig Beachtung gefunden hatten. In diesem Jahr ist es anders: Die von den Juroren, den Schriftstellern Peter Hamm, Peter Handke, Alfred Kolleritsch und Michael Krüger, erkorenen Preisträger – der Syrer Adonis und der Schotte Robin Robertson – sind fest verankert in der Weltliteratur, bekannt und gerühmt über ihren Sprachraum hinaus.
Der 1930 im Norden Syriens als Ali Ahmad Said Esber geborene und seit 1985 im Pariser Exil lebende Adonis sei, so Hubert Burda, „der große Dichter der arabischen Welt, der uns auch in vielen Essaybänden die Besonderheiten der arabischen Poesie erklärt“. Seit einigen Jahren gehört Adonis zum engsten Favoritenkreis für den Literatur-Nobelpreis. Gut möglich also, dass der Petrarca-Preis in diesem Jahr wieder die Entscheidung der schwedischen Akademie vorwegnimmt – so wie 1981, als Tomas Tranströmer ausgezeichnet wurde, der Nobelpreisträger von 2011.
Die Bühne, auf der Adonis im Anschluss an die Preisverleihung in einem fesselnden Arabisch aus seinem Werk vortrug, schien geeigneter nicht sein zu können. Hubert Gerhards Renaissanceplastik, die den Festsaal im Nationalmuseum dominiert, zeigt Mars und Venus vereint. Der Gott des Krieges, bezwungen von der Göttin der Liebe. Ähnlich verbindet das Werk Adonis Poesie und gesellschaftliches Engagement. Seine Liebeslyrik sei nie entrückt, nie weltfern, sondern immer auch provokant und geprägt von der „Lust an der Überschreitung von Normen, Phrasen und Gewohnheiten“, so der Islamwissenschaftler und Adonis-Übersetzer Stefan Weidner in seiner Laudatio.
Adonis entwarf in seiner Dankesrede eine Utopie: Er träume von einem 21. Jahrhundert, „in dem wir die Grenzen, Behinderungen und Zwänge der Technik, der Kriege, der Militarisierung, des Terrors und des Marktes überwinden können“. Das 21. Jahrhundert möge den Künsten, der Liebe, der Poesie und der Freundschaft gewidmet sein. Seinen Wunsch verband er mit einer Mahnung: Es liege in der Hand des Menschen, die Zukunft zu gestalten. „Ich möchte darauf bestehen, dass die Zukunft mehr ist als bloß ein weiterer Zyklus der Zeit. Sie ist eine menschliche Schöpfung.“
Robin Robertson, der 1955 geborene Schotte, gilt als einer der herausragenden Lyriker im englischsprachigen Raum. „Die Bühne zu teilen mit Adonis“, sagte er in seiner Dankesrede, „und in die Liste all derjenigen aufgenommen zu werden, die den Petrarca-Preis bisher bekommen haben, das sind großartige Geschenke.“ Als ein Lyriker überhaupt gelesen zu werden, sei ja schon erstaunlich, ergänzte er. „Aber in einer anderen Sprache gelesen zu werden und in einem anderen Land einen so bedeutenden Preis zu erhalten, das ist etwas ganz Besonderes.“
Auch Robertson las aus seinem Werk, in einem suggestiven, betörenden, urkräftigen Englisch. Dass nach John Burnside 2011 nun wieder ein britischer Dichter den Petrarca-Preis erhalte, schlage bereits eine Brücke in die Zukunft, so Hubert Burda. Wenn 2014 in Cambridge noch einmal Literatur gefeiert wird – im Namen Francesco Petrarcas.
Im Namen Petrarcas Juror Michael Krüger, Preisträger Adonis, Stifter Hubert Burda und die Juroren Peter Handke und Alfred Kolleritsch (v. l.) bei der Preisverleihung im Mars-Venus-Saal des Bayerischen Nationalmuseums in München. Adonis gilt als bedeutendster Dichter der arabischen Welt – und als aussichtsreicher Kandidat für den Literatur-Nobelpreis. Er dankte der Jury „für die Ehre, mich durch diesen Preis mit dem Namen Petrarcas verbunden zu haben“